Altstädter Kirchenorgel
Altstädter Kirchenorgel rekonstruiert (PAZ vom 12.12.2009
In der Kirche von Altstadt, Kreis Mohrungen, wurde die wiederhergestellte Orgel eingeweiht. Aus diesem Anlass kamen Vertreter der Familie von Pfarrer Heinrich Holland, eine Abordnung der Kreisgemeinschaft, aus Altstadt und Umgebung stammende Deutsche, darunter Graf Friedrich zu Dohna sowie eine Gruppe der Herder-Freunde aus Mohrungen und natürlich die örtliche Gemeinde zu einem Gottesdienst zusammen, den Weihbischof Jan Czaikowski zelebrierte. Es war eine für alle Anwesenden sehr bewegende Feier. Die Redner aus der Bundesrepublik würdigten das Entgegenkommen und die Hilfe aller Zuständigen vor Ort und in Elbing und wünschten der Gemeinde Freude an der Orgel zu allen Anlässen und vor allem, dass sie nie wieder zerstört werde, sondern immer in Frieden erklingen möge.
Der Initiator des Projektes und sein Hauptsponsor Peter Adrian meinte dazu: "Die Orgel repräsentiert nun in Klang und Gestalt das Ideal der kleinen Barockorgel des 18. Jahrhunderts."
Es ist gelungen, den Geist der Vergangenheit und Tradition lebendig zu halten und in gleicher Weise der Gemeinde von heute den zeitlosen erhebenden Orgelklang zur Bereicherung des Gottesdienstes und zur Freude und Erbauung zu geben. Für Jahrhunderte und im Geist der Verbundenheit zwischen den Menschen der Gemeinden von früher und von heute hat die Orgel die Erwartung aller erfüllt und weit übertroffen. Der Klang hat die Ohren und Herzen aller erreicht, die am 11. Oktober dabei waren."
Nach der Feier wurden die Zugereisten, die Geistlichkeit und der Gemeinderat mit einem Festessen verwöhnt, von Altstädter Frauen liebevoll und viel zu reichlich zubereitet.
Ganz fertig ist die Orgel noch nicht, weil sie sich, wie der Orgelbauer Rainer Wolter es ausdrückte, nun noch über den Winter in der ungeheizten Kirche akklimatisieren müsse. Dann müsse er sie im Frühjahr noch einmal durchsehen, ehe das kleine Orgelkonzert stattfindet mit dem Dresdener Kathedral-Organisten Thomas- Lennartz. Dieses Konzert wird aufgenommen und auf CD gebrannt für alle Unterstutzer des Projektes.
Nicht die Geschichte der Orgel, aber so doch die ihrer Kirche reicht bis in das Mittelalter zurück. Der ursprüngliche Feldsteinbau stammt nämlich aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. In den Jahren 1682 bis 1684 wurde die fast an der Grenze der beiden Preußen, 30 Kilometer südlich der Marienburg stehende kleine Dorfkirche umfassend erneuert und über den Feldsteinen entstand das Mauerwerk aus Backsteinen, wie man es heute noch sieht. Am Ende des 17. Jahrhunderts wurde die gesamte Kirchendecke ausgemalt, Malereien schmücken mit Bibelsprüchen auch die Gangseiten der Bänke. Die Gemeinde konnte ab 1797 mit Orgelbegleitung singen, das Instrument wurde mehrfach erweitert, ein größerer Umbau erfolgte 1863, wobei die Kosten allein durch den Kirchenpatron Richard Burggraf und Graf zu Dohna-Schlobitten getragen wurden, wozu bei der Rekonstruktion im Orgelinnern eine Notiz auf einem Zettel gefunden wurde. Der barocke Orgelprospekt stammt aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. In der Kirche gab es nach 1945 noch gelegentlich evangelische Gottesdienste, dann übernahm 1980 die katholische Kirche das Kleinod für eine Gemeinde von Menschen, die das gleiche Schicksal der Vertreibung.getroffen hatte. Unter der Obhut der polnischen Denkmalpflege wurden das Dach erneuert und die Ausmalungen restauriert. Die Orgel aber hatte alle ihre Pfeifen verloren, die Holzteile hatten Schaden gelitten, auch der Prospekt wies Schäden auf. Für eine Erneuerung des Instrumentes gab es keine Mittel.
Der Mann, der als 13 Jahre alter Junge die Orgel gegen Kriegsende wohl ein letztes Mal gespielt hatte, kam 2008 noch einmal nach Altstadt, wo er geboren wurde und frohe Kindheitstage erlebt hatte. Aus New York trieb es ihn dahin, Orgel spielte er noch immer voller Leidenschaft. Vielleicht hatte er gedacht, er könne sich noch einmal an das Instrument setzen, dessen Klang noch in ihm fortgelebt hatte. Aber es gab keine Orgel mehr. Und so entschloss er sich, für die Wiederherstellung zu sorgen, nahm Kontakte auf mit dem zuständigen Pfarrer, Jan Czaikowski, mit dem Bürgermeister, mit dem zuständigen Bischof, Jozef Wysocki, und der Denkmalbehörde und danach mit dem Orgelbauer und -restaurator Rainer Wolter. Ein kleiner Kreis von Verwandten und Bekannten schloss sich zusammen, um ihn zu unterstützen und die Kreisgemeinschaft Mohrungen richtete für Spenden ein Sonderkonto ein.
Der Orgelbauer schrieb in den Mohrunger Heimatkreis-Nachrichten:
"Bei der Zerlegung der Orgel wurde deutlich, dass wichtige Teile wie zum Beispiel Windladen, Traktor, das ist die Verbindung der Tasten mit der Windlade, und die Registriermechanik wohl vorhanden, aber teilweise in recht desolatem Zustand sind. Die alte Manualklaviatur ist nicht mehr zu restaurieren, sie wird originalgetreu nachgebaut werden. Sämtliche Registerzüge sind abgebrochen, viele Holzteile durch Holzwurm und Altersverfall beschädigt, Metallteile verrostet und/oder zerbrochen. Die Orgel ist bis in den kleinsten Winkel verschmutzt, nicht zuletzt durch den Schutt, der bei der Restaurierung der Deckengemälde vom Dachboden aus in die Orgel gelangte."
In Altstadt packten zwei Dorfbewohner mit an, innerhalb einesTages wurde das gesamte Orgelwerk abgebaut, verpackt und in die Bundesrepublik Deutschland transportiert, nur das Gehäuse blieb zurück. Von ursprünglich über 500 Pfeifen wurde noch eine zerbrochene wiedergefunden.
Weil von 1889 bis 1926 der Pfarrer Heinrich Severin Holland in der Kirche gepredigt hatte und seine Nachkommen und Verwandten die Kosten für die Wiederherstellung des Instrumentes tragen wollten, schlug die polnische Geistlichkeit vor, der neuen Orgel den Namen Heinrich-Holland-Gedächtnis-Orgel zu geben. In der Werkstatt des Orgelbauers erfolgten zügig Restaurierung und Neubau. Mit 589 Pfeifen aus einer Zinn-Blei-Legierung und aus Holz, von ein bis 240 Zentimeter Länge, wurde die Orgel bestückt, jede auf den Windladen eingepasst. Noch einmal soll der Orgelbauer zu Wort kommen:
Mitte September zog die gesamte Werkstatt von Zörbig nach Altstadt um. Auf dem Kirchenboden wurde zunächst ein historischer Keilbalg restauriert, der den Windvorrat für die Orgel bereitstellt. Er erhält nun den Wind aus einem elektrischen Gebläse. Dann begann der Aufbau der gesamten historischen Orgeltechnik: Windladen und Manual-/Pedalklaviatur wurden eingebaut und jede der 74 Tasten durch kleine Holzleisten und Messingdraht mit dem dazugehörigen Ventil verbunden.
Zwei Wochen vor der Einweihung begannen die klanglichen Arbeiten, bei der jede der in der Werkstatt hergestellten Pfeifen ihre genaue Tonhöhe, Lautstärke und Klangfarbe erhielt, je nach Register (einer Pfeifenreihe) und genau auf die Akustik des Kirchenraumes abgestimmt."
Wenn man bedenkt, dass dazu jede Pfeife bis zu 20-mal ausgebaut, bearbeitet und wieder
eingebaut wurde, wird verständlich, warum das Team von früh bis spät in die Nachtstunden an der Arbeit war. Das Polnische Denkmalamt und eine Kommission aus diesem Amt, Organisten und Orgelbauern zeigten sich bei einem Besuch sehr angetan von der Akribie und der handwerklichen Qualität.
Christian Holland